Sony WH-1000XM4 im Test
Quelle CHIP: 16.09.2020 18:15 FREDERIK NIEMEYER
Toller Sound, exzellentes Noise Cancelling, hoher Tragekomfort: Sonys neuer ANC-Bügelkopfhörer WH-1000XM4 überzeugt uns im Test mit einer tollen Leistung. Gegenüber dem Vorgänger hat Sony den Sound etwas verbessert und einige praktische neue Features hinzugefügt. Das Noise Cancelling ist noch etwas effektiver als beim bereits sehr starken Vorgänger, auch die Akkulaufzeit bewegt sich auf einem sehr guten Niveau. Für einen hohen Einführungspreis von 380 Euro lässt Sony wenige Wünsche offen. Allenfalls den Audio-Codec aptX könnten einige Hifi-Fans auf der Feature-Liste vermissen.
SOUNDQUALITÄT: Sehr gut (1,0)
NOISE CANCELLING: Sehr gut (1,0)
KOMFORT+AUSSTATTUNG: Sehr gut (1,0)
MOBILITÄT: Sehr gut (1,2)
TELEFONIE: Sehr gut (1,3)
Sony WH-1000XM4 im Test: Spitzen-Noise-Cancelling-Kopfhörer
Der bisherige Anführer unserer Noise-Cancelling-Kopfhörer-Bestenliste bekommt nach zwei Jahren einen Nachfolger: Auf den hervorragenden WH-1000XM3 folgt der Sony WH-1000XM4 – und er schneidet in allen Testkategorien noch etwas besser ab. Äußerlich sehen die Kopfhörer allerdings praktisch identisch aus. Ein schmaler Schriftzug am Kopfband weist den XM4 als das neuere Modell aus, und die „NC/Ambient“-Taste heißt beim Sony WH-1000XM4 „Custom“. Das trägt ihrer veränderbaren Funktion Rechnung: Je nach Einstellung in der App wechseln Sie entweder zwischen drei ANC-Modi (an, Ambient-Modus, aus) oder Sie wecken einen Sprachsteuerungsdienst wie den Google Assistant. Das klappt aber auch schon mit dem XM3.
Tragekomfort: Der Sony WH-1000XM4 ist sehr bequem
GERADE ANGESAGT
Auf dem Kopf fühlen sich der Sony WH-1000XM4 und sein Vorgänger ebenfalls sehr ähnlich an. Auch der XM4 ist ein ausgesprochen bequemer Bügelkopfhörer, der sich lange Zeit ohne Ermüdungserscheinungen tragen lässt – einzig die Ohren werden nach längerer Zeit etwas warm. Sony hat das Gewicht leicht reduziert und sowohl die Ohrpolster als auch das Kopfband minimal verändert. Gegenüber dem XM3 fällt uns ein etwas höherer Anpressdruck auf, außerdem nehmen wir das Polster am Kopfband etwas bewusster wahr als beim Vorgänger. Aber das kann auch daran liegen, dass wir ein gut eingetragenes Gerät mit einem brandneuen vergleichen. Und die Unterschiede sind letztlich marginal, der Tragekomfort ist spitze.
Verarbeitung und Steuerung
Das Design finden wir elegant-unauffällig. Die Verarbeitung hinterlässt einen sehr guten Eindruck. Sony setzt zwar auf viel Kunststoff, dieser fühlt sich aber stabil und aufgrund seiner leicht samtigen Oberfläche auch sehr angenehm an. Das Kopfband ist im Inneren metallverstärkt. Auf Reisen lässt sich der XM4 zusammenklappen und in dem mitgelieferten Reise-Etui verstauen. Sony bleibt auch der für diese Serie typischen Touchsteuerung treu, die im Test verlässlich funktioniert hat. Echte Tasten gibt es nur für den Wechsel der ANC-Modi und um den Kopfhörer ein- oder auszuschalten. Lautstärke- und Track-Steuerung erfolgen über Wisch- und Tippgesten auf der rechten Ohrmuschel. Nutzer tippen doppelt für Play/Pause (das verhindert Fehlauslösungen gegenüber einmaligem Tippen beim Aufsetzen/Abnehmen, wenn die Handballen die Sensorflächen berühren), sie wischen links und rechts für den Trackwechsel sowie auf und ab, um die Lautstärke zu verändern. Das ist intuitiv und funktional.
Exzellentes Noise Cancelling
Doch uns gefällt nicht nur der bequeme Sitz, sondern auch das hervorragende Noise-Cancelling. Sony setzt weiterhin den aus dem Vorgänger bekannten Noise-Cancelling-Prozessor QN1 ein, hat die Umgebungsgeräuschauswertung und -dämmung jedoch optimiert. Der Kopfhörer hat ein Mikrofon auf der Außenseite, das Umgebungsgeräusche aufnimmt, und ein Mikrofon auf der Innenseite der Ohrmuschel, das dabei hilft, das gegenphasige ANC-Signal optimal anzupassen. Laut Sony erfolgt ein Abgleich 700 Mal pro Sekunde.
Das Noise Cancelling des Sony WH-1000XM4 setzt zum Testzeitpunkt im September 2020 den Bestwert in unserer Bestenliste. In den Labormessungen unseres Partners HEAD Acoustics schneidet der XM4 in jeder Kategorie noch etwas besser ab als der XM3. Er dämpft Flugzeug- und Kaffeehaus-Lärm etwas stärker als der bereits hervorragende XM3 und hat ein niedrigeres Eigengeräuschniveau im ANC-Modus. Rauschen in ruhiger Umgebung ist dadurch kaum zu vernehmen.
Zudem verringert eine aufgesetzte Brille die ANC-Effektivität weniger als beim XM3. Laut Sony verbessert sich das ANC für Brillenträger, wenn man den sogenannten Optimizer mit aufgesetzter Brille ausführt. In unseren Messungen hat das keinen Unterschied gemacht. Durch den etwas höheren Anpressdruck schwächt sich das ANC für Brillenträger aber weniger ab als beim XM3. Wir haben ebenso den negativen Effekt der Windgeräuschreduzierung auf die ANC-Leistung gemessen. Wer in windiger Umgebung das Mikrofonrauschen effektiv reduzieren möchte, sollte die Windgeräuschverringerung über den Umgebungsgeräusch-Slider in der App einmalig aktivieren, anschließend liegt sie auf der Custom-Taste und lässt sich per Tastendruck einschalten. Trotz verringerter ANC-Leistung sinkt auf diese Weise das Geräuschniveau, wenn man draußen unterwegs ist. Auch die Telefonie-Funktion schneidet im Test besser ab als die des XM3: Der Gesprächspartner ist besser zu verstehen. Kurzum: Sony hat hier sehr gute Arbeit geleistet. Die wichtigsten Charts zu den ausführlichen Messungen von HEAD Acoustics finden Sie in der Fotostrecke.
Wir haben die aktive Geräuschunterdrückung auch in einem subjektiven Test auf die Probe gestellt. Hier war die in den Labor-Messungen beobachtete Verringerung des Bassanteils gut zu hören, der restliche Frequenzbereich kam uns vergleichbar vor. Laute Stimmen etwa sind weiterhin auffällig. Der XM4 bietet also keine revolutionäre Verbesserung, sondern optimiert ein bereits sehr gutes Produkt in Teilbereichen.
Auf Wunsch schalten Sie das sogenannte adaptive Noise Cancelling ein: In diesem Modus wählt der Kopfhörer je nach Szenario automatisch den passenden ANC-Modus.
Fotostrecke: Die wichtigsten Messwerte und Detailbilder des Sony WH-1000XM4
Sony WH-1000XM4 im Klang-Test: Starke Soundqualität
Sony hat nicht nur die Geräuschdämmung, sondern auch die sehr gute Soundqualität des XM3 mit dem WH-1000XM4 noch etwas verbessert. Größter Unterschied sind für uns die etwas klareren Höhen. Besonders Gitarren und Streichinstrumente haben mehr Biss. Stimmen wirken (je nach Tonlage) auch klarer und dadurch teils präsenter. Die Höhen sind aber zuweilen etwas „gepresst“ und könnten geschmeidiger und „luftiger“ sein. Gute offene Kopfhörer machen das naturgemäß besser. Wie der XM3, so trägt auch der WH-1000XM4 für unseren Geschmack im Bassbereich zu dick auf. Er kommt uns hier zwar minimal definierter vor, präsentiert den Bass aber letztlich noch zu dominant und dick. Uns stört das etwas bei Jazz und anderer natürlicher Musik. Pop-, Rock- und Elektro-Fans dürfte der Sound auf der anderen Seite je nach Quellmaterial zupasskommen. Die Bühnendarstellung ist für einen geschlossenen Bluetooth-Kopfhörer mit derart starkem ANC gut, der Stereo-Effekt kommt auch wie gewünscht zur Geltung. Unterm Strich finden wir den Klang im ANC-Kopfhörer-Umfeld hervorragend.
Zudem lässt sich der Sound leicht im Equalizer der Headphones-App anpassen, die Einstellungen im Kopfhörer speichert. Wir würden hier den „Clear“-Bass reduzieren und gegebenenfalls den Mittenbereich leicht anheben. Anders als der XM3, der dann zum Bluetooth-Basis-Codec SBC wechselt, behält der XM4 beispielsweise Sonys höherwertigen Codec LDAC bei – was Audio-Enthusiasten erfreuen wird. AptX unterstützt der XM4 laut Sony aber nicht – anders als noch der Vorgänger. Bereits beim In-Ear-Modell WF-1000XM3 verzichtet Sony auf AptX. Für uns macht das im Hauptanwendungsfeld dieser Produkte – Streaming via Spotify und Co. – keinen praxisrelevanten Unterschied.
Innovatives neues Features: Speak-to-Chat
Gegenüber seinem Vorgänger bietet der Sony WH-1000XM4 drei für uns praktische neue Features. Eine Option, die wir von keinem anderen Kopfhörer kennen, ist „Speak-to-Chat“, das sich in Sonys „Headphones“-App aktivieren lässt. Damit steuern Sie den sogenannten Transparenz- oder Umgebungsgeräuschmodus per Sprache. Sie brauchen nur ein, zwei Worte deutlich zu sprechen (etwa „Hallo“) und der WH-1000XM4 pausiert nach kurzer Verzögerung die Musik, schaltet die aktive Geräuschunterdrückung ab und aktiviert die Mikrofone, um Umgebungsgeräusche durchzuschleifen. So lässt sich beispielsweise ein kurzes Gespräch führen, ohne den Kopfhörer abnehmen zu müssen.
Im Test hat das Feature gut funktioniert und ließ sich – wie gewünscht – nur durch den Nutzer aktivieren, nicht durch umstehende Sprecher. Allerdings hat sich Speak-to-Chat auch ungewollt eingeschaltet, einmal durch ein etwas lauteres Räuspern, ein andermal, weil wir lachten. Wer gerne zu seiner Lieblingsmusik singt, dürfte auf dieses Feature verzichten wollen. Alle anderen können die Sensibilität in der App nach eigenem Gusto verringern oder erhöhen. Für den Google Assistant müssen Nutzer aber weiterhin die entsprechende Taste drücken.
Näherungssensor und Bluetooth-Mehrfach-Verbindungen
Nicht einzigartig, aber sinnvoll und in der Over-Ear-Klasse noch selten, ist der Näherungssensor, der in der linken Ohrmuschel zu sehen ist. Damit erkennt der Kopfhörer, ob der Nutzer ihn absetzt. Er pausiert Musik dann automatisch und schaltet sich schließlich nach 15 Minuten aus. Setzt man den Kopfhörer vorher wieder auf, spielt die Musik sofort weiter. Wir finden das praktisch, aber auch dieses Feature können Sie in der App ein- oder ausschalten.
Die dritte wichtige neue Funktion ist Unterstützung für Bluetooth-Multipoint-Verbindungen, die Sony nun endlich ermöglicht – wie bereits einige namhafte Konkurrenten zuvor, unter ihnen Bose. Der Sony WH-1000XM4 kann nun also zwei separate vollständige Bluetooth-Verbindungen aufrechterhalten. Sie können somit etwa am Notebook einen Film schauen, dann unterbrechungsfrei ein Telefonat via Handy entgegennehmen oder dort Musik hören, und mit fließendem Übergang wieder zum Notebook wechseln. Anders als der Vorgänger unterstützt der WH-1000XM4 nun zudem Bluetooth 5.
Akku und Preis
Zu guter Letzt schneidet auch die Akkulaufzeit sehr gut im Test ab. Mit aktiver Geräuschdämmung lief der Sony WH-1000XM4 bei uns 30 Stunden, ohne ANC kamen wir auf 41,5 Stunden – die Akkulaufzeit ist also sehr gut.
Im Test haben wir allerdings beobachtet, dass die Akkulaufzeit je nach Handy und verwendetem Audio-Codec sehr unterschiedlich ausfallen kann. Im oben genannten Szenario lief der XM4 via LDAC; doch an einem anderen Modell, das AAC unterstützt, kam er nur noch auf 22 Stunden ANC-Laufzeit. Zum Vergleich haben wir den Vorgänger XM3 noch einmal mit demselben Handy nachgemessen, mit dem der XM4 auf seine beste Laufzeit kam: Gegenüber unserem Test vor zwei Jahren stieg die Akkulaufzeit des XM3 in diesem Szenario um 3 Stunden auf 25 Stunden – sie liegt aber weiterhin unter der des WH-1000XM4.
Dank Schnellladetechnik können Sie nach wenigen Minuten Ladezeit wieder für ein paar Stunden Musik hören. Eine Vollladung dauert knapp 90 Minuten.
Unterm Strich hat der Sony WH-1000XM4 einen hervorragenden ANC-Kopfhörer im Angebot, der gegenüber seinem Vorgänger aber keine revolutionären Neuerungen bietet, sondern vor allem leichte, aber nützliche Featureverbesserungen auffährt. Der Einführungspreis ist gleich hoch geblieben und liegt bei 380 Euro.